AMEMUS kommt in den Dom

Heute kurz vor 13:00 Uhr ist es soweit: Ein Schwertransport der Spedition Leutenmaier aus Baden-Württemberg fährt am Dom vor. Geladen hat er eine wertvolle Fracht, die 6.525 kg schwere AMEMUS, die als vierte Glocke das Geläute des Nordturms vervollständigt. Aber das ist noch „Zukunftsmusik“. Jetzt kommt es erst einmal darauf an, die Glocke, deren Herstellung letztendlich fast eine Viertelmillion Euro gekostet hat, wohlbehalten abzuladen und sicher in den Dom zu bringen.

Dazu ist „geballter“ Sachverstand vor Ort. Die Kranfirma Brandt & Wangler hebt die AMEMUS vom Transporter und setzt sie mit viel Feingefühl auf das von der Schlosserei Horenburg aus Barby/Elbe nach Vorgaben des Architekturbüros Sußmann und Sußmann gefertigte Transport- und Ausstellungsgestell. Dieses hat die Firma „Glockentechnik Schmidt“ aus Berlin mit Schwerlastrollen versehen, um die Last auf dem Weg zum Standplatz im Nordseitenschiff des Domes überhaupt bewegen zu können. Um 13:45 Uhr passiert die Glocke das Nordportal, gezogen mit Hilfe eines an einem Dom-Pfeiler verankerten Seilzug. Im Dom angelangt „hangelt“ sich die 6 ½ – Tonnen-Last auf untergelegten Schalbrettern und Blechplatten von Pfeiler zu Pfeiler Richtung Standplatz. Das ist mehrstündige Schwerstarbeit. Dies alles wird von den Dokumentarfilmern um Prof. Gerhard Lampe im Auftrag des Domglocken Magdeburg e.V. festgehalten. 

Um 16:15 Uhr steht die Glocke vor ihrem Aufstellungsort. Aber hier gibt es keinen Verankerungspunkt für einen Seilzug. Also ist Muskelkraft (Manpower) gefragt. 10 Männer ziehen und schieben die Glocke die letzten 2 Meter Richtung Norden auf ihren Platz neben der DOMINICA. Um 16:30 ist es geschafft, die Technik wird abgebaut, die Rollen entfernt und das Transportgestell mit der Glocke auf Holzklötze gestellt. Hier wartet sie, noch blau umhüllt, auf ihre Präsentation am Vortag der Reformation.

Erster Domglocken-Neuguss nach 320 Jahren

Am 2. September war es endlich soweit: In der Glockengießerei Bachert in Neunkirchen/Baden-Württemberg wurde nun die AMEMUS, die erste von 8 neuen Glocken des 12-stimmigen Domgeläutes gegossen. Sie ist mit 6 Tonnen die drittgrößte des neuen Geläutes. Bis zum eigentlichen Guss waren viele Vorarbeiten notwendig. Zuerst wurde Anfang Mai mit dem Aufmauern des Glockenkerns begonnen. Dieser musste vollständig durchgetrocknet sein, um darauf die „Falsche Glocke“, die die Form der zukünftigen Glocke abbildet, zu formen. Im Gegensatz zum Ziegel-Lehm-Kern besteht sie aus einem Sand-Zement-Gemisch.

Jetzt fehlte aber noch die Zier. Diese wurde am 30. Juni durch den Künstler Gert Weber und seine Ehefrau eigenhädig aufgebracht. Die dazu notwendigen Wachselemente wurden vor Ort in die vorbereitzeten Gipsformen gegossen und mit Kolophonium auf die „Falsche Glocke“ geklebt. Diese Wachselemente bilden sich als Negative im Glockenmantel ab, der im nächsten Arbeitsschritt darüber aufgetragen wurde. Mit feinem Lehm begonnen wurde er in mehreren Schichten mit immer gröberen Material bis zur Dicke von 40 cm aufgetragen.

Die Trocknung dauerte bis zum 25. August. Dabei wurde die Wachszier ausgeschmolzen. Dann wurde der Mantel per Kran vorsichtig abgehoben, die „Falsche Glocke“ zerschlagen und der Mandel wieder auf den Kern aufgesetzt. An Stelle der „Falschen Glocke“ ist jetzt ein Hohlraum, der, mit flüssiger Bronze gefüllt, die Glocke bildet.

Die gesamte Form steht in einer 4,5 m tiefen Gießgrube, die vor dem Guss vollständig mit gestampfter Erde aufgefüllt wurde. Der Gusskanal wurde gemauert und so präsentierte sich das Ganze dem staunenden Publikum. Das waren 30 interessierte Glockenpaten, Stifter und Gemeindeglieder. Auch Landesbischof Friedrich Kramer fand Zeit, diesem historischen Moment beizuwohnen.
Der eigentliche Gießvorgang dauerte nur 13 Minuten.

Nachruf Ankristin Wegener

 

Die Trauer über den plötzlichen Tod unseres Vorstandsmitgliedes Ankristin Wegener macht uns noch immer sprachlos.
Ankristin war ein stets tatkräftiges, sehr engagiertes, fröhliches und unterstützendes Vorstands-Mitglied, welches sich in hohem Maße für unseren Verein stark gemacht hat und ihn mit Ideen bereicherte.
Wir verlieren in ihr nicht nur eine Mitstreiterin im Vereinsvorstand, sondern auch eine aktive Domglockenfreundin.
Unsere Gedanken sind bei Ihrer Familie und ihren Freunden.
Auf Ankristins ausdrücklichen Wunsch hin wurde aus Anlass ihrer Beerdigung für Spenden zugunsten des Domglocken Magdeburg e.V. gebeten. Hierfür sowie für die daraufhin eingegangenen zahlreichen Spenden sind wir sehr dankbar.
Wir werden Ankristin nie vergessen.

Der Vorstand des Domglocken Magdeburg e.V.


Technologie des Mittelalters und moderner Technik-Betrieb –

Traditioneller Glockenguss in Deutschland zur heutigen Zeit

Technologie des Mittelalters und moderner Technik-Betrieb –

Traditioneller Glockenguss in Deutschland zur heutigen Zeit

Wie wird eigentlich eine Glocke für den Guss vorbereitet? Martin Groß und Johannes Sattler, Vorstände des Domglockenvereins Magdeburg e.V., wollten das genau wissen und besuchten die traditionsreiche Glockengießerei Bachert in Neunkirchen im Neckar-Odenwald Kreis in Baden-Württemberg.

Diese Gießerei erhielt den Auftrag zum Guss der acht neuen Glocken des Magdeburger Domes. Zurzeit sind deren Mitarbeiter mit der Vorbereitung des Gusses der 6-Tonnen schweren Glocke AMEMUS beschäftigt. Auch wenn der Familienbetrieb schon in der 8. Generation Glocken gießt, wie Nicolai Wieland, der jetzige Chef, betonte, kommen Glocken dieser Größenordnung auch in seinem Betrieb nicht alle Tage zur Ausführung. Mit der Herstellung der Glockenform wurde Anfang Mai begonnen. Jetzt, nach zwei Monaten, war der Glockenkern aus Ziegeln und Lehm und die „Falsche Glocke“ aus einem Betonmaterial so weit fertig gestellt, getrocknet, mit einer dünnen Zierlehmschicht und noch einer Trennschicht aus speziellen Rindertalg überzogen worden, dass mit dem Aufbringen der Glockenzier begonnen werden konnte.

Diese Arbeiten nahm der Künstler Gert Weber persönlich, gemeinsam mit seiner Frau Edda, vor.

Die 6-armige Glockenkrone, die sowohl Zier- als auch Haltefunktion hat, war von der firmeneigenen Künstlerin, Annette Weiß, schon aus Wachs geformt und mit der Glockenform verbunden worden.

Gert Weber stellte seinerseits zu Hause bereits im Atelier vorbereiteten Negativformen der Glockenzier bereit und begann mit dem Glockennamen „AMEMUS“, den er schon als fertige Wachsbuchstaben mitbrachte, wie auch die Einzelformen des Zierfrieses, die auf dem Glockenwolm, dem unteren äußeren Glockenrand, „geklebt“ wurden. Als „Klebstoff“ dient dabei flüssiges Kolophonium. Diese Wachselemente werden auf der „Falschen Glocke“ positioniert und vorsichtig angedrückt. Danach wurde auf der Rückseite die stilisierte Darstellung des Ottonischen Doms aus dem 10. Jahrhundert angebracht. Gert Weber hatte dieses Bild auf der Bronzegrabplatte der Erzbischofs Friedrich von Wettin entdeckt und schuf mit deren Verwendung bei der Glockenzier eine sichtbare Verbindung zwischen dem alten ottonischen Dom und dem heutigen gotischen Dom. Dieses Abbild wird auf allen neuen Glocken zu sehen sein und betont sinnfällig deren „Geschwisterlichkeit“. Beides war in in der Ausschreibung für die künstlerische Gestaltung der Glockenzier gefordert worden.

Nach kurzer mittäglicher Pause bekam die Glocke dann ihr „Gesicht“ mit der Zier für die Glocken-Vorderseite. Diese besteht aus vier Teilen, die einzeln in Gips-Modeln als Negative geformt worden waren und nun noch mit flüssigem Wachs zu Positivformen auszugießen waren. Sie wurden danach Stück für Stück auf der „Falschen Glocke“ positioniert. „Nur“ das Bibelzitat und die Bibelstelle waren dann noch umlaufend auf der Glockenschulter aufzutragen. Überschüssiges Wachs zwischen den Figuren wurde nun mit einem Cutter-Messer herausgeschnitten und die gesamte Zier zur Erhöhung deren Plastizität mit hölzernen Modulierstäbchen in allen Details fein nachgearbeitet. Für alle diese Arbeiten benötigten Gert Weber, seine Frau Edda und ein Mitarbeiter der Gießerei fast 10 Stunden.

Am Folgetag war Alt-Meister Albert Bachert extra aus dem Ruhestand gekommen, um mit dem heutigen Gießerei-Chef, Nicolai Wieland und einem weiteren Mitarbeiter, die verzierte Glockenform mit einer feinen Lehmschlämpe per Hand und Pinsel zu überziehen, damit sich alle Feinheiten der Wachszierformen im noch darüber aufzutragenden Glockenmantel korrekt abbilden. Diese Prozedur muss mehrmals nach jeweiliger Zwischentrocknung wiederholt werden, bevor dann mehrere weitere festere Lehmschichten darüber aufgetragen werden können, die den stabilen Glockenmantel mit einer Dicke von 30 bis 40 cm bilden.

Ist dieser nach mehreren Wochen komplett durchgetrocknet, wird die gesamte Glockenform mit Gasbrennern von unten her erhitzt, um die Wachszierformen herauszuschmelzen, die sich als Negative im Glockenmantel abgebildet haben. Der gesamte Glockenmantel wird dann behutsam abgehoben und die auf dem Glockenkern sitzende „Falsche Glocke“ zerschlagen. Dann wird der Glockenmantel mit den darin befindlichen Negativformen der Glockenzier wieder über den verbliebenen Glockenkern gestülpt, so dass an Stelle des Platzes der zerschlagenen „Falschen Glocke“, nun ein Hohlraum entstanden ist, in den die 1100 °C heiße Glockenbronze, die „Glockenspeise“, fließen kann und die tatsächliche Glocke formt. Bis es aber soweit ist, muss die gesamte Form in der Gießgrube ringsherum mit verdichteter Erde umhüllt werden, damit der Glockenmantel dem hohen Druck des flüssigen Metalls standhalten kann.

Der Guss erfolgt traditionsgemäß immer freitags um 15 Uhr (zur Todesstunde Jesu). Zu diesem großen Ereignis lässt die Gießerei Bachert eine begrenzte Anzahl an Zuschauern zu, die der Verein zu gegebener Zeit einladen wird.

 

Weiteres Etappenziel erreicht

Der Domglockenverein hat ein weiteres entscheidendes Etappenziel bei der Realisierung des Neuen Domgeläutes für den Magdeburger Dom erreicht: am 7. und 31. März hat die Glockengießerei Bachert aus Neunkirchen die Aufträge zum Guss von sieben Glocken im Gesamtgewicht von ca. 12 Tonnen bestätigt. Mit der Bronze hat sich die Gießerei bevorratet und einen Großteil des Materials hat der Verein bereits bezahlt. Anfang April hat das Aufmauern des Glockenkerns der 6-Tonnen-Glocke AMEMUS schon begonnen. Den Guss hat die Gießerei für den Juni vorgesehen. Auch im Juni soll die BENEDICAMUS gegossen werden. Die fünf weiteren Glocken – CANTEMUS, QUERAMUR, DUBITEMUS, RESISTAMUS und SPEREMUS – sollen im vierten Quartal gegossen werden. Das stellt auch für den Künstler Gert Weber eine gewaltige Herausforderung dar, da die Glockenzier für sieben Glocken fertiggestellt werden muss. Wenn alles nach Plan läuft, können zum Weihnachtsfest 2022 im Dom acht Glocken bestaunt werden. Dann werden allerdings die finanziellen Mittel, die der Verein in den vier Jahren seines Bestehens akquiriert hat, erst einmal aufgebraucht sein. Dafür, dass die AMEMUS und die DOMINICA geläutet werden können, braucht es weitere große Anstrengungen. So wie schon für den Guss der sieben Glocken, wird auch für den Ausbau des Nordturms etwa eine halbe Million Euro benötigt.

Brand- & Friedensläuten am 3. März 2022

Der Dom im „Himmelsbrand“ (Foto: Uwe Vernaldi)

Aufruf der Europäischen Dom-, Münster- und Bauhüttenmeister

Wir, die Gemeinschaft der Bauverantwortlichen der großen Kathedral- und Domkirchen Europas von Norwegen bis Malta und von Spanien bis in die Ukraine, möchten zum Krieg in der Ukraine nicht schweigen.

Europa brennt – wir wollen am Donnerstag, den 03.03.2022 mittags um 12.00 Uhr, die Glocken unserer Kirchen 7 Minuten läuten lassen, jede Minute für einen Tag dieses unsinnigen Krieges.

Mit diesem Läuten
erklären wir uns solidarisch mit den Menschen,
die diesen Krieg aushalten und um ihr Leben bangen müssen,
die den Widerstand gegen eine Übermacht organisieren müssen,
die vor dem Krieg fliehen müssen,
die den Mut haben, gegen die Kriegstreiber in ihrem Land zu protestieren und
die in den Ländern leben, die unmittelbar von diesem Krieg betroffen sind.

Mit diesem Läuten
trauern wir um die Toten aller beteiligter Länder.
drücken wir unseren Dank aus, sollten die Waffen bis dahin schweigen.

Mit diesem Läuten
beten wir für alle, die von diesem Krieg betroffen sind.
Mit diesem Läuten
beten wir um Frieden

Jeder aus unserer Gemeinschaft setzt sich in seinem Umfeld dafür ein, dass auch die Menschen aller anderen Kirchen hiervon erfahren und das Brandläuten an vielen Orten Europas zu hören sein wird.

Die Europäische Vereinigung der Dombau-, Münsterbau- und Bauhüttenmeister

Der Magdeburger Dom St. Mauritius und Katharina, eine bedeutende gotische Kathedrale im Herzen Europas

Mitteilung 

Der Domglocken Magdeburg e.V. schließt sich dem obenstehenden Aufruf der Europäischen Vereinigung der Dombau-, Münsterbau- und Bauhüttenmeister (Dombaumeister e.V.) (http://dombaumeisterev.de/) an.
Der Magdeburger Dom, die älteste und bedeutendste gotische Kaiser-Kathedrale Deutschlands, gehört zu den großen Domkirchen Europas und soll auch wieder ein adäquates Geläut erhalten. Noch in diesem Jahr wird der Verein sieben neue Glocken im Gesamtgewicht von fast 12 Tonnen gießen lassen. Wir bitten um Ihre Spende, damit diese Glocken bald von den Türmen rufen können. Beim europaweiten Läuten für den Frieden am 03.03.2022 kann der Magdeburger Dom leider nur mit seinem rudimentären Geläut von nur 3 Glocken teilnehmen , aber der Verein wird während des sieben Minuten dauernden Läutens die reparierte DOMINICA 24-mal anschlagen, so dass auch ihre Stimme zu hören sein wird. Möge sie bald das Geläute des Nordturmes vervollständigen und als Glocke schwingend rufen: „…Lasst uns hinschauen!“

 

Auch die reparierte DOMINICA wird an dem Friedensläuten am 3. März 2022 teilnehmen